Autorenlogo von Agatha Huxley ist ein Schlüssel mit den Initialen als Bart und einer Triqueta als Schlüsselkopf.

Rauhes Pflaster

Ein Gastbeitrag über Obdachlosigkeit von Ursel Schmid

Sein Blick war getrieben. Die Augen flackerten wie irrlichternde Taschenlampen auf einer Nachtwanderung. Links, rechts, hin und her. Die tiefblaue Iris und die blonden Strähnen unterstrichen die graubräunliche Farbmischung der Haut durch das Leben bei jeder Wetterlage auf der Straße. 

Unwillig schüttelte Bert seinen brummenden Schädel. Er brauchte dringend die nächste Dosis! Verdammte Scheiße, dieser verfickte Virus erschwerte sein Leben ungemein. Vorsichtig reckte er den Kopf und schaute sich auf der Domplatte um. Wo üblicherweise bei Sonnenschein der Bär vor der gotischen Kulisse steppte, herrschte im Lockdown gähnende Leere. Er hatte keine Wahl, dies war sein gewohntes Terrain, sein Betätigungsfeld. Wo sollte er sonst hin? 

Wie er das Gebrabbel der Touristenmassen vermisste. Ja gut, oft genug hatte er ihr fröhliches Geschnatter verflucht und ihre dämliche Angewohnheit, für Selfies vor der prachtvollen Domkulisse zu posieren, am besten mit Selfiestick … smile, klick klick, giggeln …
Aber ihre vollen Rucksäcke, die prall gefüllten Portemonnaies und locker sitzenden Smartphones, die hatte er nicht verachtet. Es war zu normalen Zeiten ein Leichtes, sie in der Szene zu versilbern. Wie leichtsinnig die Idioten mit ihren Besitztümern umgingen. Fixiert auf sich, auf die Sehenswürdigkeiten, auf das nächste Shopping-Vergnügen …
Bert seufzte und kauerte sich auf einer Treppenstufe zusammen. 

So ein Mist. Die Typen von der Regierung hatten sich eine Menge einfallen lassen, um Geschäfte zu unterstützen. Aber an die Kleinkriminellen verschwendete keiner einen Gedanken. Er war nun arbeitslos. Wen kümmerten die Obdachlosen und Süchtigen. Kein Aas trug mehr Bargeld bei sich, alle bezahlten mit Plastikkarten oder Handy. Was sollte er da noch klauen? Mit Münzen konnte er etwas anfangen. Seine Schmerzen und schwarzen Gedanken beschäftigten ihn unnachgiebig, da blieb kein Raum für Papierkram wie Anträge. Bert verknotete seine Finger, schloss die Augen und kämpfte verzweifelt mit den Tränen. Seine Beine fühlten sich an wie Grießbrei. Ihm lief der Speichel im Mund zusammen. Wovon sollte er leben, wenn der fehlende Schutz der Anonymität in der Masse ihn daran hinderte, seinem Tagewerk nachzugehen? Keiner stellte mehr Flaschen an den Mülleimern oder sonst wo ab, diese Einnahmen entfielen komplett. Sein Kopf sank auf die Brust. 

„Ich helf dir mit dem Bürgergeldantrag“, hatte Sozialarbeiterin Elli angeboten. Doch er konnte sich nicht aufraffen. Sein Gehirn schlug Kapriolen bei den Gedanken an die notwendige Dosis. Welche Taschen sollte er ausrauben, wenn niemand mehr ins Land durfte? Selbst die rumänischen Kinderbanden waren scheinbar mangels Einnahmen nach Hause beordert worden. Nur vereinzelt huschten mal ein oder zwei Personen über die glatten grauen Steinplatten. Bert nahm einen tiefen Atemzug, er schmeckte kalt und bitter. Er zog die schmalen Schultern hoch und hustete. Keine Polizei zu sehen. Die Luft war rein. Er musste unwillkürlich grinsen. Ob das stimmte? Wer wusste schon, ob sich das perfide Virus, das sich unsichtbar mit der Harmlosigkeit des gleichnamigen Bieres in den Brustkörben der Menschen einnistete, nicht doch dem ab und an aufflackernden Ostwind trotzte und sich darin hielt? 

Was schwirrten denn da für seltsame Gedanken in seinem Kopf herum … Wie um Himmelswillen sollte das jetzt weitergehen? Rastlos fingerte er nach dem abgegriffenen Mundschutz in seiner Jackentasche und scannte die Umgebung. Er war darauf angewiesen, Gefahr frühzeitig zu erkennen.

Nach wie vor spürte er die Folgen einer Attacke lange vor dem Lockdown von zwei betrunkenen Jugendlichen. Sie hatten ihn beschimpft und mit Schlägen durch seinen dünnen Schlafsack hindurch traktiert. Am Schluss hatten sie auf ihn uriniert. Nie wieder würde er diesen Urschmerz und die Demütigung loswerden. Sein Körper war wie imprägniert von dieser Erfahrung. Sie hatten erst von ihm abgelassen, als in der Ferne eine Sirene ertönte. 

Ängstlich sah er sich um, die Erinnerung breitete sich wie Säure in seinen Gliedern aus.
Sein Blick fiel auf das Mäuerchen, an dem sich an normalen Tagen Jugendliche und Senioren tummelten und bei gutem Wetter ihre Gesichter in die Sonne reckten. 

Eine junge Frau hockte auf dem Boden, den Rücken an die halbhohe Wand gelehnt. Fasziniert starrte Bert sie an. Den Hintern in die Erde gedrückt, die schmalen spitzen Knie in die Höhe gereckt, offenbarte sie dem überraschten Betrachter ihre unverhüllte Scham. Ihr Kopf war mit einem graubraunen Schal mit Felloptik umhüllt, fettige blonde Strähnen lugten hervor. Ihr Gesicht war nicht zu sehen.
Erschrocken und beschämt wandte Bert sich ab. Er fühlte sich ertappt wie ein Voyeur, spürte er doch selbst instinktiv, wenn er beobachtet wurde.

Ihm fiel eine Kindheitsszene ein. Er lag im Bett, seine Mutter las ihm und seinem Bruder ein Märchen vor, in dem eine Jungfrau vor ihrem Vater floh, sich in Fellresten verbarg und ihr Gesicht mit Ruß bemalte. Einem Impuls folgend kramte Bert im Rucksack nach dem Lebensmittelpaket vom Sozialdienst, fischte eine Kekspackung und einen kleinen Kakao im Tetra Pak heraus. Er war froh, sich die Maske ersparen zu können, das Einschneiden an den Ohren und auf der von den Drogen papierdünnen Haut quälte ihn. Mit dem Essen in der Hand lief er zum Mäuerchen.

Seine Augen suchten die zarte zusammengekauerte Gestalt, doch sein Blick ging ins Leere. Sie war verschwunden. Seine Suche nach rechts und links offenbarte nur menschenleere Wege. Nachdenklich hockte sich Bert auf ihren Platz und nahm unwillkürlich ihre Position ein. Ein Gefühl der Angst, Scham und Ausweglosigkeit packte ihn. Die Verletzlichkeit in dieser Pose lähmte seinen Körper. Er war versucht, den Kopf so wie sie zu verhüllen, in der Hoffnung, damit unsichtbar zu werden, wie ein Kind, das sich im Schrank versteckt. Sofort streckte er die Beine aus und veränderte seine Sitzposition.

Vorsichtig nahm er einen Schluck vom Kakao, die Süße durchströmte seinen Körper. Das Kekspapier raschelte, als er nach dem Kringel griff und sich hungrig einen Bissen einverleibte.
Berts unsteter Blick fiel auf ein blau-silbernes Auto, das sich langsam in etwas größerer Entfernung näherte. Verdammt, waren sie hinter ihm her? Er konzentrierte sich auf seine Umgebung und hielt die Luft an. Wenn sie ihn erwischten … es war Zeit, den Standort zu wechseln.
Sein Körper gehorchte ihm nur widerstrebend. Er stand auf, lief in Zeitlupe ein paar Schritte in Richtung der Einkaufsstraße und verschmolz automatisch mit der Umwelt.
Wie sie dagesessen war, so zerbrechlich, so durchscheinend. Sein Oberkörper zog sich zusammen. Ihr Anblick und ihr plötzliches Verschwinden hatten etwas in ihm ausgelöst. Er hob den Kopf. Heute war der richtige Moment, eine Veränderung anzugehen. Bevor er endgültig den Respekt vor sich und seinem schäbigen Leben verlor. Zu lange schon regierten Angst und Not darin.

Sein Gehirn steuerte die Füße in Richtung Schildergasse. Für heute würde er dem Impuls nachgeben und am Neumarkt sein Glück versuchen. Bei nächster Gelegenheit würde er Elli um Hilfe bitten, wenn die Sozialstation wieder öffnete. Leicht würde es nicht werden. Doch das Bild des Mädchens entfachte eine Kraft in ihm, die er lange nicht gespürt hatte. Er war nicht fähig, es auszulöschen. So hilflos dem schonungslosen Blick anderer ausgesetzt, wollte er nicht auf der Straße enden. Die Zeit war gekommen, etwas für seine Zukunft zu tun.

Du hast Lust gleich weiter zu lesen? Vielleicht wäre der Beitrag etwas für Dich:   Der Außenseiter

Ursel Schid Autorin - lächelt in die Kamera, im Hintergrund ein Wald

1960 in Lima / Peru geboren.

Mit elf Jahren nach mehrjährigen Aufenthalten in verschiedenen Ländern nach Bonn gekommen, wo ich heute noch lebe.

Schon als Kind faszinierten mich Bücher und leuchteten meine Welt farbig aus.

Mein Studium an der Philosophischen Fakultät und das Arbeitsleben bei einem großen Unternehmen absorbierten später meine Energie so stark, dass wenig Zeit für das literarische Hobby blieb. Seit 2015 widme ich mich intensiv dem Schreiben.

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Als ich 9 war, kam die Wende. Ich komme aus einer Stadt, die war selbst für die DDR Hinterwelt. Bei uns kam alles etwas später an. Meine Lieblingsklassenlehrerin arbeitet mittlerweile in der Pommesbude, weil sie bei der Stasi war.
Während meine Klassenameradinnen stolz ihre ersten Brustansätze in floralen Bodies zeigen, verschwindet mein Body in übergroßen Totenkopf-Shirts.
In einer Erinnerung übe ich mit einer Klassenkameradin eine Choreographie zu Madonna „Like a Virgin“ ein, in einer anderen Erinnerung sitze ich mit einer anderen Kameradin auf einer Friedhofsbank und wir trinken Kellergeister, die wir zuvor im Laden gezockt haben.
Meine Erinnerungen bilden ein Kaleidoskop verschiedenster Kameradinnen, Cliquen, Klauen, Alkohol, Rauchen, schwänzen, in Gärten einsteigen. Die Liste ist lang, Konsequenzen rar.
Einmal wurden wir in der Hofpause beim Klauen von Zigaretten erwischt. Die Hofpause vor der Geschichts-Klassenarbeit. Polizei – Revier. Die Eltern meiner Klassenkameradin haben mich dann mitgenommen.
Konsequenzen? Wir haben die Klassenarbeit nachgeschrieben. Zur Verhandlung kam der Detektiv nicht, d.h. straffrei. Ich glaube wir hatten Hausverbot.
Ich weiß nicht mal, ob es meine Mum mitbekommen hat. Zur Verhandlung hat mich mein Bruder begleitet, er war damals schon 16. Ich habe ihn dafür zwei Ohrlöcher schießen lassen.
Es kann sehr schnell gehen, dass man abrutscht. Alles geht so schnell. Meine Pubertät ist wie Jahrmarkt in meinem Kopf. Viele Eltern bekommen es gar nicht mit.
Ich war nie Mitläufer. Ich war orientierungslos, gelangweilt, perspektivlos.
Aber kein Mitläufer. Einige Leute wurden mir zu derb, zu asozial. Alkohol, die Frauen wurden geschlagen. Eine Kneipe wurde überfallen – der Typ hat im Block darüber gewohnt, natürlich wurde er gefasst. Es gab viele Prügeleien. Übergriffe.
Ich fand meinen Weg zu einer Kinder- und Jugendfarm, wo Kiddies Hütten bauen konnten. Das beste was mir passieren konnte. Der erste Lichtblick, der mein Leben in geordnetere Bahnen lenkte.
Diese Einrichtung hat mein Leben gerettet. Und Mittel für diese Einrichtungen sind heute im großen Stil gestrichen.

Das ist heute eines meiner großen Anliegen.
Dem sozialen Engagement mehr Aufmerksamkeit und Glanz zu widmen.
Denn bei Streetworkern, Sozialarbeitern und beim gesamten Sozialwesen wird nur mit dem Rotstift hantiert.

Interessieren dich mehr Geschichten aus einer rebellischen Jugend?
Dann schau auf meinen Blog.
Oder schreibe mir eine Nachricht und ich schreibe im Blog mehr darüber.

ein Mädchen schaut ängstlich in die Kamera, ein Mann hält ihr den Mund zu

TW: Sexualisierte Gewalt

Meine erste einschneidende Erinnerung, da muss ich gerade erst in die Schule gekommen sein, wenn überhaupt. Ich war mit der Schwester des besten Freundes meines Bruders unterwegs.

Wir sind die Friedhofstraße entlanggelaufen. Am Zaun stand ein älterer Mann, mit seinem Ding in der Hand. Meine Begleiterin meinte, er schrubbt sich einen. Ich kannte den Ausdruck gar nicht. Ich habe mir bei der Angelegenheit auch nichts weitergedacht, als ich wieder zu Hause war.
Für meine Begleiterin war es wohl ein größeres Ding und sie erzählte es ihren Vater, der Polizist war. Und da fing das Drama an. Ich musste aufs Revier und Alben voll Straftäter durchgehen, ob ich den Mann wiedererkenne.
Mir war damals nicht einmal bewusst, dass all diese Männer Verbrechen begangen haben, ich habe auch niemanden erkannt.
Das Ende vom Lied war, das andere Mädchen zog ihre Aussage zurück und meinte, der Mann hätte wohl nur gepinkelt.
Mein Gefühl sagt mir, mir hätte man damals die Schuld gegeben, zu dramatisieren und so einen Aufriss zu machen. Aber ich kann mich nicht erinnern.

Ein paar Jahre später wurde es offensichtlicher. Im Plattenbau im Erdgeschoss wohnte ein älterer Herr, der klopfte immer an die Balkontür und holte sich einen runter.
Das schlimme daran, er hatte auch eine Frau. Und ein kleines Mädchen war auch öfter da.
Wir klingelten ein paar Mal bei ihm, um das Mädchen kennenzulernen, ob es ihm gut geht.
Aber nie öffnete Jemand.
Wir klingelten im Haus und erzählten es den Nachbarn. Aber niemand nahm uns ernst.
Irgendwann reagierten wir einfach nicht mehr auf das Klopfen.
Und heute frage ich mich, ob dieser Mann der gleiche war, wie aus dem Friedhof.
Aber noch eindringlicher sind die Gedanken, ist das Mädchen unbeschadet. Und hat es wirklich keiner der Nachbarn mitbekommen?

Mit etwas 12 Jahren bin ich auf meinen Klapprad nach Hause gefahren. Ich habe einen Jungen überholt. Es hatte keinen Grund, ich wollte ihn nicht foppen, ich war einfach schneller.
Er radelte mir dann hinterher. Als ich ins Haus ging, um mein Fahrrad in den Keller zu bringen, hielt er mir plötzlich die Tür auf. „Nett“, mehr dachte ich nicht.
Er folgte mir in den Keller, drängte mich in eine Ecke und fasste mir zwischen die Beine. <ich habe mich gewehrt, um mich geschlagen. Ich kann mich nicht erinnern, auch nur einen laut von mir gegeben zu haben. Ich konnte ihn wegstoßen, bin die Treppe hoch gerannt, habe bei uns geklingelt.
Er ist an mir vorbeigeschossen, auf sein Rad und weg war er.
Ich habe bei uns Sturm geklingelt, aber Niemand war da.
Ich habe mein Rad wieder hochgeholt und bin zu meinen Klassenkameradinnen gefahren.
Die haben mir nicht geglaubt.
Ich verstummte. Warum sollte ich lügen? Ich habe nie Geschichten erzählt, um mich wichtig zu machen. Warum sollte ich jetzt damit anfangen?
Ich vergaß den Vorfall relativ schnell. Es ist ja nichts passiert.

Es blieb nur das Gefühl, das uns nie jemand glaubt.
Und ich bin der festen Überzeugung, dass jede Frau schon einmal sexualisierte Gewalt erfahren hat.
Viele Bagatellisieren Erinnerungen:
Es ist doch nichts passiert.
Mir glaubt niemand.
Das ist doch normal.
Und ich glaube, die meisten Frauen haben noch viel schlimmere Erfahrungen als ich.

Agatha Huxley mit 20 Jahren und Schildkröte in der Hand grinst in die Kamera.

In der 8. Klasse bin ich sitzen geblieben. Wir waren über 5 Mädchen, die sitzen geblieben sind. Bei mir war es mir klar. Aber darunter auch einige, die keineswegs frech waren und auch nicht dumm. Aber auch ein Jahr wiederholen ist keine Schande. Für mich war es eine Chance, neue Klasse, etwas mehr Vernunft.
Ich habe meinen ersten Freund gehabt. In meinen Cliquen wurden die Mädels rumgereicht und sowohl Mädchen als auch Jungen haben sich gegenseitig bewerten. Das war mir immer zuwider. Einige waren schon schwanger. Ich wollte keinen Typen, der schon etwas mit einer meiner Kameradinnen hatte.
Und dann habe ich Jemanden kennengelernt, der auch ein Bücherregal hatte. Ich war hin und weg. Wir kamen recht schnell zusammen. Und er hat mehr in mir gesehen, hat mich gefördert.
Durch das Hütten bauen habe ich meine Liebe zu Holz entdeckt und habe eine Lehre zur Tischlerin gemacht. Wunderschöner Beruf, nur konnte ich mir nicht vorstellen bis Ende 60 Fenster und Möbel zu schleppen. Er hat mich darauf gebracht, Fachabitur zu machen. Mir wurde immer vermittelt, wie dumm ich sei, aber nach der abgeschlossenen Ausbildung war das nur ein Jahr. Was hatte ich zu verlieren? Auch wenn meine Familie meinte, ich soll lieber arbeiten und Geld verdienen, das Fachabi schaffe ich sowieso nicht.
Ich habe es aber ohne große Schwierigkeiten geschafft.
Und nun? Ich war nicht darauf vorbereitet, zu studieren. Es war absurd. Aber irgendwie auch verlockend. Ich habe mich für ein Journalismus-Studium beworben, aber da hätte ich eine zweite Fremdsprache lernen müssen. Englisch war mir schon zu viel.
Ich wollte in Angewandte Kunst und Möbeldesignerin werden, und war bei einem 2 tägigen Eignungstest, die Professorinnen meinten, ich solle mich nächstes Jahr erneut bewerben und in der Zwischenzeit mein künstlerisches Talent ausbauen.
Und ich habe mich für Buch- und Verlagswesen beworben, weil ich Bücher liebte. Ich war bei der Bewerbung leicht betrunken und habe als Zweit-Studiums-Wunsch Wirtschaftsmathematik angegeben. Mathe hat mir immer Spaß gemacht. Für Buch- und Verlagswesen waren meine Zeugnisse zu schlecht.
Ja, entgegen den Erwartungen meiner Familie, bin ich heute Dipl. Mathematikerin (FH)
Ich habe das Studium auch nur aus Trotz durchgezogen und geschafft, mit dem Ansporn: Euch wird ich’s zeigen.
Es war die Hölle! Ich bin allein in eine fremde Stadt gezogen. Die meisten Kommilitonen kamen aus dem Gymnasium, Leistungskurs Mathe. Im ersten Semester kamen Formeln, von den hatte ich nie gehört, für die anderen waren das Fingerübungen. Die anderen kamen aus elitäreren Kreisen.
Ich war total überfordert. Ich habe keinen Anhang gefunden. Ich habe viel Wein getrunken. Irgendwann habe ich mich selbst verletzt, um mich zu spüren.
Es schmerzt noch heute, an die Zeit zurück zu denken. Aber so weh es tut, es war wie eine neue Geburt.
In der Zeit ist meine erste veröffentlichte Geschichte entstanden:
Januarnacht. In der Anthologie: Und niemand glaubt an mich?!

Das ist etwas, das mir am Herzen liegt.
Das ist etwas, das ich in diese Gesellschaft reinschreien möchte.

Glaubt an euch! Glaubt an eure Mitmenschen.
Viele haben einfach keine Perspektive, aggressives Verhalten ist meistens ein Schrei nach Aufmerksamkeit. Statt mit Vorurteilen um sich zu werfen, schaut lieber hin, schaut hinter die Fassade. Dort sind oft wunderschöne Menschen, nur ihre Verletzungen machen sie hässlich.

Ich hatte das Glück, das Jemand mehr in mir gesehen hat. Und ich habe noch viele Menschen getroffen, die mehr in mir gesehen haben.

Heute bin ich erfolgreich selbstständig. Ich lebe mit Mann und Hund in einem eigenen Haus in der Idylle.

Und das können so viele andere, die von der Gesellschaft ausgestoßen sind.

Interessieren dich mehr Geschichten wie ich mir selbst zu einem erfolgreichen Leben verholfen habe?
Dann schau auf meinen Blog.
Oder schreibe mir eine Nachricht und ich schreibe im Blog mehr darüber.

Schreiben ist ein Akt der Selbstreflexion.
Ich erkläre mir die Gesellschaft über das Schreiben, ich tauche über meine Geschichten in neue Perspektiven ein.
Ich schreibe die Geschichten, die ich als Jugendliche gebraucht hätte.
Und ich möchte über das Schreiben die Gesellschaft ermutigen, hinzusehen statt wegzusehen.
Ich möchte gesellschaftlichen Underdogs eine Stimme geben, weil niemand ihnen zuhört, weil sie niemand wahrnimmt.
Ich möchte die Gesellschaft zu einem besseren Ort machen.
Ich möchte Menschen ermutigen, über sich hinaus zu wachsen.
Ich weiß wie schwer es ist, wenn man abgeschrieben ist.
Jeder Mensch hat ein würdevolles Leben verdient.
Und viele verlieren ihr Leben an ihren Schmerz, als an ihre Hoffnung.

Ich habe einen Traum, in dem ist jeder Mensch gleich.
Ich habe einen Traum, in dem darf jede Frau laut und wütend sein.
Ich habe einen Traum, in dem gefällt sich jede Frau, ohne Erwartungen anderer erfüllen zu müssen.
Ich habe einen Traum, in dem lebt jede Frau ohne Angst.
In meinem Traum gibt es keine Angst nicht zu genügen, keine Angst vor Übergriffen, keine Angst vor Gewalt.
In meinem Traum ist jede Frau frei. Frei in ihren Entscheidungen. Frei ihr Leben zu leben.
In meinem Traum kann eine Frau glücklich und vollständig sein, auch ohne Mann, auch ohne Kind.

Mein Traum wird schon viele Jahrhunderte geträumt.
Mein Traum ist für viele Frauen zum Albtraum geworden.
Das reale Leben vieler Frauen ist ein Albtraum.

Ich habe einen Traum, in dem ist jeder Mensch gleich.
Ich habe einen Traum, in dem gibt es kein Outing, weil jede Sexualität selbstverständlich ist.
In meinem Traum lächel ich und werde ganz still.
In meinem Traum bin ich glücklich, ein Teil dieser Gesellschaft zu sein.

Ich weiß, es ist nur ein Traum.
Ein Traum, den viele träumen.

Träumst du mit mir?
Dann schau auf meinen Blog.

Als ich zu Schulzeiten mal wieder aus der Klasse flog und zum Direktor musste, meinte er zu mir: Du hast einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, du weißt ihn nur nicht richtig einzusetzen.
Ich habe bis heute keine Ahnung was er damit meinte, war ihn die Inkompetenz dieser beiden Lehrer bewusst, bei denen ich keine 5 Minuten brauchte, um rauszufliegen?
Was auch immer, aber einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn habe ich. Dachte ich.
Was ist gerecht?
Dass es keine Ausbeutung gibt. Das jeder Mensch gleich ist und gleiche Chancen hat. Das Gewalttaten angemessen bestraft werden.
Wer Gerechtigkeit will, muss auch entsprechend gerecht handeln, sich selbst gegenüber, aber auch in der Erwartung der anderen.
Bin ich immer gerecht? – Naja, fast.
Mir gegenüber? – Niemand ist so hart gegenüber mir selbst, als ich.
In der Erwartung der anderen? – Mission impossible! Jeder Mensch hat seine eigene Realität, jeder Mensch hat andere Erwartungen.
Gerechtigkeit ist gar nicht von der Natur vorgesehen.
Es gilt das Gesetz des Stärkeren. Fressen oder gefressen werden.
Gerechtigkeit ist ein moralisches Konstrukt der Menschen, um Ordnung zu wahren. Um Verbrechen zu sühnen.

Dann stehe ich für:
– Authentizität
– Sinnhaftigkeit
– Ehrlichkeit

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